Heiliger Eligius, hilf!
Eine Museumsführung mit dem „Chinesischen Körbchen“
Letzten Sonntag hielt ich die Sonntagsführung im Schaudepot des Liebieghauses. Das Schaudepot ist – wie der Name sagt – ein etwas abseitig gelegener Ausstellungsraum, der Skulpturen quer durch alle Epochen nebeneinander und in der Präsentation ohne eindeutiges Konzept beherbergt. Das Schaudepot ist nur an jedem ersten Sonntag eines Monats öffentlich zugänglich. Die dort ausgestellten Werke beherbergen eine „Sammlung innerhalb der Sammlung“, sie bilden sammlungsgeschichtlich sowie kunsthistorisch einen Kontext zu den Skulpturen in den Sälen des Museums. Bei Bedarf werden aus dem Schaudepot Werke entnommen, so sind in der aktuellen Sonderausstellung „Athen – Triumph der Bilder“ eine Reihe spätägyptischer Mumienporträts zu sehen, die ansonsten im Depot ausgestellt werden.
Die Führung wurde mit dem Thema „Ungewöhnliche Nachbarschaften im Schaudepot“ angekündigt. Eine Chance also, den Teilnehmern die Fülle der Sammlung sowie Analogien und Kontraste - ikonographisch, in ihrer kulturhistorischen „Aufgabe“, in punkto Materialbearbeitung und Stil vorzustellen.
Doch wie treffe ich eine Auswahl? Aus verschiedenen Gründen wollte ich dieses Mal die Führung nicht als eine frontale Präsentation der Werke halten, sondern den Besuchern die Gelegenheit geben, die Führung mitzugestalten.
Kürzlich hatte ich im Methodenpool der Kulturtussi etwas über die Vermittlungstechnik „Chinesisches Körbchen“ gelesen. Die Methode, von der ich mir vorstellen kann, dass sie auch als Kreativtechnik geeignet ist, funktioniert folgendermaßen: als Kulturvermittlerin bringe ich eine kleine Sammlung von Krusch-Krims-Krams-Objekten, idealerweise in einem Beutel mit. Diese Dinge haben mit dem Gegenstand der Führung/Präsentation nichts zu tun, man sammelt ein, was halt so herumfliegt – hier mein „Chinesisches Körbchen“. Ich habe mich für das erste Mal auf fünf Dinge beschränkt, im Gegensatz zu den vorgeschlagenen 15-20. Zu Beginn der Führung bat ich die Teilnehmer, je ein Ding aus dem Beutel zu nehmen und sich dann ein Kunstwerk nach Belieben auszusuchen. Dann arbeitete ich mich nach und nach an den Objekten ab, indem ich die Dinge meines Körbchens assoziativ mit den ausgewählten Kunstwerken verknüpfte und auf diese Weise sich auch ein "Nachbar" für das jeweilige Kunstwerk sehr einfach finden ließ.
Für meine Führung stellte sich diese Methode als ideal heraus und zwar aus folgenden Gründen:
- Das Schaudepot vereint viele Kunstwerke unterschiedlicher Epochen in eng begrenzten Räumlichkeiten. Man hat kurze Wege und damit immer alle Skulpturen im Blick, es ist daher leicht, Blickbeziehungen zwischen den Objekten herzustellen – aber auch leicht, den Wald vor lauter Bäumen nicht zu sehen und sich in der Menge der Skulpturen zu verlieren.
- Die Anzahl der Objekte und ihre weitgehend unstrukturierte Aufstellung/Montierung im Depot erfordert eine Auswahl.
- Wird diese von den Teilnehmern über die Dinge aus dem Körbchen selbst getroffen, sind die Chancen höher, dass sich der Besucher besser auf das vorgestellte Kunstwerke und den dazugehörigen Antagonisten (den „ungewöhnlichen Nachbar“ laut Ankündigung) konzentrieren kann und sich u. U. selbst damit identifiziert (weil selbst ausgewählt)
- Die Auswahl aus dem Körbchen gibt mir als Vermittlerin die Chance, bei der Vorstellung bestimmter Werke von eingefahrenen Ideen/Perspektiven abzuweichen und über Assoziationen den Blick auf einen bestimmten Aspekt eines Kunstwerks zu fokussieren.
Wie ist es mir ergangen?
Vergleicht man die Beschreibung der Methode im Kulturtussi-Blog, habe ich die Methode die vollständig angewandt, sondern nur den ersten Schritt - die Auswahl durch die Teilnehmer - umgesetzt und dann wieder selbst übernommen. Das nächste Mal würde ich u. U. noch weiter gehen - im Sinne einer wachsenden Beteiligung und des Dialogs unter den Teilnehmern der Führung. Durch diese Selbstbeschränkung bin ich zudem auf ernsthafte Vermittlungsprobleme gestoßen. Ich gestehe, ich habe während der Führung immer wieder in der Werkliste des Schaudepots gespickt (vor allem nach Datierungen) und auch zwei Mal ernsthaft gepatzt, weil mir rein gar nichts zum ausgewählten Werk einfiel beziehungsweise weil sich eine Doppelung ergab. Die Methode hat mir deutlich die Grenzen meines Wissens über die Werke in der Sammlung vorgeführt (ägyptische Hieroglyphen kann ich nun mal nicht lesen, in dem speziellen Fall wäre es ganz gut gewesen, ansatzweise den Inhalt der Inschriften zu kennen). Aber: die Besucher waren engagierter und „wacher“ als ich das sonst (vor allem im Schaudepot) erlebe und haben vor allem anfangs viel mehr Fragen zur Präsentation der Werke im Depot gestellt.
Das Beste kam zum Schluss: das letzte ausgewählte Kunstwerk hatte ich wirklich noch nie (Nie! Nie!) in der Sammlung wahrgenommen: ein spätmittelalterliches Retabel mit einer Darstellung des Heiligen Eligius als Hufschmied. Ausgerechnet! (Der Heilige ist unter anderem der Schutzpatron der Numismatiker – da darf ich mich als Kunsthistorikerin wohl auch dazu zählen?)